NUR JA HEISST JA
13. August 2024
Patriarchale Machtstrukturen und deren Ausnutzung sind immer noch große Hindernisse auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Eines der schwerwiegendsten und alltäglichsten Probleme, mit dem sich Frauen weltweit konfrontiert sehen, ist Gewalt gegen Frauen, egal ob psychisch, körperlich oder sexuell.
Was als Vergewaltigung gilt und wie diese geahndet wird, wird im Sexualstrafrecht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sehr unterschiedlich gehandhabt. Im Frühjahr 2022 hat die Europäische Kommission deshalb einen Richtlinienvorschlag zur EU-weit einheitlichen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vorgelegt. Dieser wurde leider auch von der deutschen Regierung blockiert und es wird weiterhin auf nationale Maßnahmen gesetzt. Dabei gilt Spanien mit seiner Frauen- und Gleichstellungspolitik mittlerweile als europäisches Vorbild.
Bereits 2004 verabschiedete das Land das europaweit erste Gesetz speziell gegen häusliche Gewalt. Vor zwei Jahren hat Spanien auch die Gesetzeslage rund um Vergewaltigungen stark verschärft. Das Parlament stimmte mit 60 Prozent dem „Nur Ja heißt Ja“-Gesetz zu, damit wird Vergewaltigung als „Geschlechtsverkehr ohne eindeutige Zustimmung“ definiert.
Der Vorteil dieser Regelung ist, dass eine Frau nicht mehr nachweisen muss, dass Gewalt oder Einschüchterung im Spiel waren, damit ein sexueller Übergriff als solcher gewertet wird. Diese klare und eindeutige Regelung hebt die Unterscheidung zwischen Missbrauch und Nötigung auf, so dass sexuelle Übergriffe immer als Vergewaltigung gelten - unabhängig davon, ob sich das Opfer wehrt oder die Tat aus Angst geschehen lässt.
Die spanische Linkspartei, Juniorpartnerin in der spanischen Regierung, plante im Anschluss weitere Gesetzesänderungen zur Gleichstellung von Frauen und Minderheiten. So folgt 2023 der Menstruationsurlaub, d.h. dass Frauen bei Menstruationsbeschwerden bis zu fünf Tage bei vollem Lohn von der Arbeit freigestellt werden können.
© Mira Meier – Amnesty International
In Deutschland hingegen ist sexueller Missbrauch im Strafgesetzbuch anders geregelt. Seit 2016 gilt hier der Grundsatz „Nein heißt Nein“. Das bedeutet, dass sexuelle Handlungen, die gegen den „erkennbaren Willen“ eines Dritten vorgenommen werden, strafbar sind. Das Opfer muss also nach wie vor nachweisen können, dass es sich gegen die übergriffige Handlung ausgesprochen hat. Auch wenn diese Regelung nicht so weitreichend ist wie die Rechtslage in Spanien, stellte die Einführung dieser deutlichen Linie einen "Paradigmenwechsel" dar. Neben der Klarheit für die Opfer konnte Deutschland mit der Verabschiedung des Gesetzes auch die „Istanbul-Konvention“ ratifizieren, die fordert, alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen.
Langfristig ist die "Ja heißt Ja"-Lösung jedoch klar zu bevorzugen, weil sie einen umfassenderen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung bietet, indem sie klarstellt, dass sexuelle Handlungen nur dann einvernehmlich sind, wenn alle Beteiligten aktiv zustimmen. Im Gegensatz zur Widerspruchslösung, bei der das Opfer aktiv "Nein" sagen muss, nimmt die Zustimmungslösung dem Opfer die Verantwortung ab und verringert die Gefahr, dass es zu Schuldzuschiebung kommt. Sie erfasst auch schwierige Fälle wie Schockzustände, das sogenannte Freezing, sowie Situationen, in denen das Opfer aus Angst oder Scham keinen Widerspruch äußern kann. Obwohl die Zustimmungslösung die Schwelle für die Strafbarkeit senkt, bleibt die Beweisführung im Wesentlichen gleich, da es weiterhin darauf ankommt, ob konkrete Hinweise auf Zustimmung oder deren Fehlen vorliegen. Dies gewährleistet, dass die Unschuldsvermutung nicht gefährdet wird. Die Zustimmungslösung spiegelt moderne gesellschaftliche Werte wider, die die sexuelle Selbstbestimmung in den Mittelpunkt stellen, und wird von der Mehrheit der Bevölkerung, insbesondere von jungen Menschen und Frauen, unterstützt.
Die Diskrepanz im Sexualstrafrecht innerhalb Europas bleibt bestehen. Während Spanien und mittlerweile 13 weitere Staaten mit fortschrittlichen Gesetzen Maßstäbe setzen, ist die Gesetzeslage in einigen anderen Mitgliedsstaaten noch immer sehr unzureichend und ungenau. Pionierländer wie Spanien machen aber Hoffnung, dass Frauen in Zukunft endlich auch vor dem Gesetz ausreichend vor sexuellen Übergriffen geschützt werden und Gewalt gegen Frauen nachhaltig bekämpft werden kann.
Quellen: