Gender-Gap – was ist das eigentlich?
3. Juli 2025
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Die gute Nachricht zuerst: Der Gender-Pay-Gap ist gesunken. Die schlechte: Er existiert immer noch – und ist nur die Spitze eines ziemlich ungleichen Eisbergs.
Doch erst einmal einen Schritt zurück: Wer von Gender-Gaps spricht, meint damit nicht nur ein einzelnes Problem, sondern ein ganzes Sammelsurium struktureller Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern – mit handfesten finanziellen, gesellschaftlichen und politischen Folgen. Und die meisten davon wirken wie ein Dominoeffekt: Eine Lücke zieht die nächste nach sich. Zeit also, das Thema Gender-Gaps einmal umfassend aufzurollen – in all seinen Facetten, von Lohn über Rente bis hin zu Steuer und Kredit. Spoiler: Es geht nicht um Kleinigkeiten, sondern um Milliarden, Lebenszeit, gesellschaftliche Teilhabe und echte Gleichstellung.
Der Klassiker: Gender-Pay-Gap
Frauen verdienten 2024 in Deutschland im Durchschnitt 16 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Das klingt nach einem Fortschritt – denn 2006 waren es noch 23 Prozent. Aber wer jetzt zur Sektflasche greift, sollte kurz innehalten: Das ist der unbereinigte Gender-Pay-Gap. Der bereinigte – der Unterschiede wie Branche, Beruf oder Arbeitsumfang berücksichtigt – liegt immer noch bei sechs Prozent. Klingt besser, ist aber trotzdem: unfair.
Warum das relevant ist? Weil weniger Gehalt nicht nur den aktuellen Kontostand schmälert, sondern langfristig ganze Lebensverläufe beeinflusst – von der Miete bis zur Rente.
Equal Pay Day – rote Taschen und knallharte Realität
Der Equal Pay Day markiert symbolisch den Tag, bis zu dem Frauen theoretisch umsonst arbeiten, während Männer schon ab dem 1. Januar bezahlt werden. 2026 ist das der 27. Februar. Der Tag soll dabei als Mahnmal gelten, dass die Einkommenslücke weitere Lücken aufreißt. In 2025 sind es 66 Tage, weil Frauen erst ab dem 7.März im Schnitt so viel verdienen wie Männer ab dem 1.Januar.
Die unterschätzte Dimension: Gender-Care-Gap
Kochen, putzen, pflegen, trösten, organisieren, begleiten – all das fällt unter den Begriff Carearbeit. Und 2022 leisteten Frauen in Deutschland davon 44,3 Prozent mehr als Männer. Kostenlos, versteht sich. Diese Gender-Care-Gap zieht sich durch das Leben vieler Frauen wie ein nicht enden wollender To-do-Zettel: weniger Zeit für Erwerbsarbeit, weniger Einkommen, weniger Aufstiegsmöglichkeiten – aber mehr Belastung, mehr Mental Load, mehr Erschöpfung. Gesellschaftlich unsichtbar, wirtschaftlich unbeachtet, persönlich kräftezehrend.
Der Equal Care Day, jährlich am 1. März (bzw. am 29. Februar in Schaltjahren), rückt genau diese unsichtbare Arbeit in den Fokus. Mit ihm entstand das Equal Care Manifest, das unter anderem von UN Women Deutschland unterstützt wird. Denn Care-Arbeit ist systemrelevant – nur wird sie bisher nicht so behandelt.
Das womöglich böse Erwachen – die Gender-Pension-Gap
Wenig Einkommen plus viel Sorgearbeit gleich niedrige Rente. Eine einfache Formel, nicht minder tragisch. 2023 lag die Gender Pension Gap bei 27,1 Prozent, ohne Hinterbliebenenrenten sogar bei satten 39,4 Prozent. Jede fünfte Frau über 65 ist in Deutschland armutsgefährdet. Besonders bitter: Viele dieser Frauen haben nicht etwa weniger gearbeitet, sondern nur weniger bezahlt gearbeitet. Die klassische Ehefrau, die sich um Haushalt, Kinder und Angehörige gekümmert hat, steht im Alter oft mit leeren Taschen da – vor allem im Falle einer Trennung.
Die Lebensrechnung: GenderLifetime-Earnings-Gap
Wer die Gesamtrechnung aufmacht, landet bei der größten Lücke von allen: der Gender-Lifetime-Earnings-Gap. Sie liegt bei knapp 50 Prozent. Anders gesagt: Frauen verdienen im Laufe ihres Erwerbslebens im Schnitt nur die Hälfte dessen, was Männer einnehmen. In Westdeutschland kommen Männer auf durchschnittlich 1,51 Millionen Euro, Frauen auf 830.000 Euro. Bei Müttern steigt der Unterschied auf bis zu 70 Prozent – wegen Teilzeit, Auszeiten, schlechterer Bezahlung und fehlender Boni.
Und da hört’s nicht auf
Gender-Credit-Gap: Frauen bekommen im Schnitt geringere Kreditsummen mit schlechteren Konditionen.
Gender-Boni-Gap: Wer Teilzeit oder Elternzeit macht, bekommt oft weniger oder gar keine Sonderzahlungen – ein Nachteil für viele Frauen.
Gender-Time-Gap: Weniger Arbeitszeit heißt auch: weniger Sichtbarkeit, Netzwerke, Karrierechancen – und weniger Anerkennung.
Gender-Tax-Gap: Das Ehegattensplitting bevorzugt Ein-Verdiener-Ehen. Alleinerziehende dagegen zahlen in Deutschland die höchsten Steuersätze innerhalb der OECD.
Gender-Financial-Literacy-Gap: Frauen haben laut Studien weniger Finanzwissen – nicht aus mangelndem Interesse, sondern wegen Zeitmangel, traditionellen Rollenbildern und schlechterem Zugang.
Was tun? Empowerment statt Einbußen!
Jede einzelne Gender-Gap ist ein politisches Problem – aber auch ein gesellschaftliches. Und: ein individuelles. Die gute Nachricht ist, dass Handlungsoptionen existieren. Sechs davon sind u. a. :
Steuerklasse 5 meiden – sie wird ohnehin bald (2030) abgeschafft.
Teilzeit gut überlegen – insbesondere mit Blick auf Rente und Lebenseinkommen.
Beim Elterngeld auf Ausgleich pochen – innerhalb der Partnerschaft oder gegenüber dem Arbeitgeber.
Finanzbildung aktiv suchen – durch Podcasts, Bücher, Netzwerke und Plattformen.
Solidarität leben – auch in Beziehungen, Familien und Unternehmen.
Für Gleichstellung eintreten – bei der Wahl, im Beruf, auf der Straße.
Gender-Gaps sind mehr als Zahlenkolonnen in Studien. Sie sind Ausdruck struktureller Ungleichheit, die sich durch das ganze Leben zieht. Und obwohl sich in den letzten Jahren einiges verbessert hat, ist noch viel Luft nach oben. Diese Lücken schließen sich nicht von selbst – dafür braucht es politische Reformen, mutige Entscheidungen und kollektiven Willen. Denn echte Gleichstellung heißt: gleiche Chancen, gleiche Anerkennung – und gleiche Bezahlung. Keine Ausreden mehr. Nur noch Fortschritt.
Text von Rebecca Stringa.