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Weniger Kinder, mehr Patriarchat? Warum die Geburtenrate nicht „einfach so“ sinkt

16. September 2025

Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts sind da: 1,35 Kinder pro Frau. Berlin ist Schlusslicht, Niedersachsen führt das Ranking. Und während Wirtschaftsexper*:innen die demografische Uhr ticken hören, übersehen wir den eigentlichen Skandal: Die sinkende Geburtenrate ist kein Naturgesetz – sie ist ein Symptom für patriarchale Strukturen und jahrzehntelange Vernachlässigung von Frauengesundheit.


Heute bekommt fast niemand mehr„aus Versehen“ Kinder. Und falls ein Kinderwunsch da ist, prallt er auf Realitäten: unsichere Jobs, unbezahlbare Mieten, Kita-Platz-Lotterie. Hinzu kommt eine Arbeitswelt, die Familien noch immer als Störfaktor betrachtet. Doch während ökonomische Unsicherheit oft diskutiert wird, fehlt in der Debatte ein entscheidender Punkt: Wie schlecht unser Gesundheitssystem auf weibliche Körper eingestellt ist.


Frauengesundheit: Forschungslücke mit Folgen


Endometriose? Acht Jahre bis zur Diagnose. PCOS? Kaum Studien. Stillmedizin? Unterfinanziert. Verhütungsmittel? Fast ausschließlich auf Frauenkörpern getestet – mit Nebenwirkungen, die bei Männern längst für Skandale sorgen würden. Diese Forschungslücken haben direkte Folgen: Viele Frauen erleben jahrelange Schmerzen, unklare Diagnosen oder fehlende Unterstützung in Schwangerschaft und Geburt. Wer so viel Energie ins Überleben steckt, hat kaum Raum für die „bewusste Entscheidung“ für ein Kind.


Kurz: Wenn die Hälfte der Bevölkerung medizinisch systematisch schlechter versorgt wird, dann sinkt nicht nur die Lebensqualität – sondern auch die Geburtenrate.


Patriarchale Strukturen als Fertilitätskiller


Das Patriarchat versteckt sich nicht nur in Gesetzen oder Chefetagen. Es sitzt in jeder Frage wie: „Bist du dir sicher, dass du nach der Elternzeit wirklich wieder arbeiten willst?“ Es zeigt sich darin, dass Care-Arbeit noch immer überwiegend bei Frauen landet, während Väter zwar Applaus für die drei Monate Elternzeit bekommen – aber selten die volle Verantwortung tragen.


Solange beruflicher Erfolg in Deutschland daran gemessen wird, wie lange jemand abends im Büro sitzt, bleiben Kinder ein „Karrierekiller“. Und solange Mutterschaft automatisch als „Teilzeit-Track“ verstanden wird, ist die Botschaft klar: Kinder ja, aber bitte nicht zu viele.


Mehr Kinder gibt es nicht ohne mehr Gleichberechtigung


Die Erfahrung zeigt: Wenn Strukturen sich ändern, steigt die Geburtenrate. Der Ausbau der Kitas in den 2010er-Jahren führte dazu, dass Akademikerinnen häufiger Kinder bekamen. Vereinbarkeit wirkt. Aber jetzt? Förderprogramme laufen aus, Fachkräftemangel in Kitas wächst, und die Familienpolitik spielt Pingpong mit Zuständigkeiten. Gleichzeitig bleibt Frauengesundheit eine Randnotiz.

Dabei wäre die Lösung so einfach wie unbequem:

  • Mehr Forschung zu frauenspezifischen Krankheiten.

  • Ein Gesundheitssystem, das Schwangerschaft, Geburt und gynäkologische Versorgung ernst nimmt.

  • Eine Arbeitswelt, die Familien nicht als Belastung, sondern als Normalität versteht.


Die Geburtenrate ist kein Frauenproblem


Es sind nicht „die Frauen“, die zu wenige Kinder bekommen. Es ist ein System, das ihnen die Entscheidung schwer macht. Wer wirklich eine höhere Geburtenrate will, sollte weniger über „fehlende Kinder“ reden – und mehr über die patriarchalen Strukturen, die sie verhindern. Denn klar ist: Geburtenraten sind kein Schicksal. Sie sind Politik.


Text von Rebecca Stringa.

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