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Frauengesundheit auf Social Media – Chance oder Risiko?

13. November 2025

Social Media hat längst Einzug in die medizinische Welt gehalten. Ärzt*innen, Medizinstudierende und Patient*innen bewegen sich heute selbstverständlich zwischen TikTok und Instagram. Doch während die digitalen Kanäle für Networking und berufliche Weiterentwicklung genutzt werden, verändern sie zunehmend auch die Art, wie medizinische Informationen wahrgenommen und umgesetzt werden – besonders in der reproduktiven Gesundheit.


Auch Sri Manivannan, Medizinerin und Health Creatorin, betonte auf dem letzten FRAUEN100 x HEALTH Panel, dass Social Media längst Einfluss auf den medizinischen Alltag habe: „Ich betrachte Social Media grundlegend positiv, weil es inzwischen echte medizinische Veränderungen ausgelöst hat. Ein Beispiel ist die Leitlinie zur Spirale, die angepasst wurde, weil so viele Frauen weltweit erzählt haben, wie stark die Schmerzen beim Einsetzen waren und dass sie keine Schmerzmittel bekommen haben. Erst durch diese Masse an Erfahrungsberichten hat die Ärzteschaft reagiert. Jetzt steht in den Leitlinien, dass Schmerzmittel aktiv angeboten werden sollen.“ Dieses Beispiel verdeutlicht, wie Social Media Patientinnen eine Stimme gibt, die in traditionellen Praxisabläufen oft ungehört bleibt. Manivannan ergänzt: „Je mehr Stimmen wir sind, desto lauter werden wir und desto eher bewegt sich etwas. Auch wenn es manchmal nur kleine Schritte sind, sie verändern das System. Was früher in einer geschlossenen Praxis niemand gehört hat, erreicht heute Millionen. Und genau das macht Social Media so mächtig. Frauen werden endlich gehört und Medizin muss zuhören.“


Chancen: Aufklärung, Empowerment, Demokratisierung

Die Daten der Sermo-Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten zeigen, dass Social Media tatsächlich ein mächtiges Werkzeug für Aufklärung und Kommunikation sein kann: 25  Prozent nannten die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für medizinische Probleme als Hauptvorteil, 9  Prozent sahen eine Stärkung der Arzt-Patienten-Kommunikation und 8 Prozent eine Förderung der beruflichen Zusammenarbeit.


Besonders junge Zielgruppen, die gezielt medizinische Informationen auf Plattformen wie TikTok suchen, profitieren von dieser Demokratisierung von Wissen. Die Plattformen ermöglichen nicht nur den Austausch von Fakten, sondern auch von Erfahrungen – ein Aspekt, der im Bereich der reproduktiven Gesundheit enorm wichtig ist. Frauen berichten offen über Verhütung, Zyklusbeschwerden oder die Auswirkungen hormoneller Präparate, und die Ärzteschaft kann so sensibler auf die tatsächlichen Bedürfnisse reagieren. Neben der Aufklärung bietet Social Media auch Chancen für Vernetzung und Community-Building. Unter anderem können Gruppen für Patientinnen, die an einer bestimmten Erkrankung leiden, ihnen helfen, ihre Behandlungserfahrungen zu teilen. Auch beruflich profitieren Ärztinnen und Ärzte: Social Media erlaubt es, Forschungsergebnisse, klinische Beobachtungen oder neue Leitlinien schnell einem internationalen Publikum zugänglich zu machen.


Risiken: Fehlinformation, Vereinfachung, Vertrauensverlust

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. 43 Prozent der befragten Ärzte sehen in TikTok das größte Risiko für die Verbreitung von Fehlinformationen. 35 Prozent nannten explizit das Risiko der Verfälschung medizinischer Inhalte, 24 Prozent das Untergraben der eigenen beruflichen Glaubwürdigkeit und weitere 24 Prozent warnten vor einer zu starken Vereinfachung komplexer medizinischer Zusammenhänge. Gerade in der reproduktiven Gesundheit, wo viele Patientinnen sehr persönliche und emotionale Erfahrungen teilen, besteht die Gefahr, dass einzelne Erlebnisse verallgemeinert oder falsch interpretiert werden. Zugleich belohnt der Algorithmus Engagement stärker als Genauigkeit, wodurch sensationelle oder vereinfachte Inhalte viral gehen – und evidenzbasierte Informationen ins Hintertreffen geraten.


Social Media als Hebel für Veränderung

Trotz aller Risiken bleibt das Potenzial groß, wie das Beispiel der Spirale zeigt. Sri Manivannan appelliert an Patientinnen: „Ich finde es wichtig, das im Panel zu sagen, weil ich alle Frauen ermutigen möchte, ihre Erfahrungen weiter öffentlich zu teilen. Die Medizin muss zuhören.“

Diese aktive Mitgestaltung durch Patientinnen, die über soziale Medien direkt Einfluss auf Leitlinien nehmen, ist ein Novum: Was früher in einer Praxis verschlossen blieb, erreicht heute Millionen Menschen weltweit. In der reproduktiven Gesundheit kann dies direkte Auswirkungen auf Schmerzmanagement, Verhütungsempfehlungen oder Aufklärungsarbeit haben. Social Media wird so nicht nur Informationskanal, sondern Katalysator für Evidenz- und Praxisänderungen.


Die Zukunft: Verantwortung, Regulierung, digitale Kompetenz

Damit Social Media dauerhaft ein Gewinn für die Medizin bleibt, sind verantwortungsbewusster Umgang, sorgfältige Plattformwahl und Überprüfung der Inhalte entscheidend. Ärzt*innen müssen Vorreiter in der Verbreitung verifizierter Gesundheitsinformationen sein, Patientinnen empowerment-orientiert begleiten und gleichzeitig Fehlinformationen kritisch begegnen. Medizinerin Manivannan fasst zusammen: „Was früher in einer geschlossenen Praxis niemand gehört hat, erreicht heute Millionen. Und genau das macht Social Media so mächtig.“


Die Zukunft der reproduktiven Gesundheit hängt damit auch digital von der Balance ab: Zugänglichkeit, Regulierung und fachlicher Diskurs müssen Hand in Hand gehen, um sicherzustellen, dass Social Media sowohl informativ als auch verantwortungsbewusst genutzt wird – für eine Medizin, die hört, reagiert und sich verändert.


Text von Rebecca Stringa.

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