FRAUEN100 Januar 2025
31. Januar 2025

Kanzler-Kandidaten stellen sich Fragen zu Frauen- und Familienpolitik und Jutta Allmendinger präsentiert ein Maßnahmenpaket, um mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu bringen – der Jahresauftakt von FRAUEN100 war inhaltlich und emotional aufgeladen. Moderiert von Verena Pausder gab es für die rund 300 Gäste aus Politik, Medien, Kultur und Wirtschaft konkrete Ideen, um die Situation für Frauen in Deutschland zu verbessern und mit dem beschlossenen Gewalthilfegesetz auch ein paar Lichtblicke zur parteiübergreifenden Zusammenarbeit.
Die Dekoration im Crackers in der Friedrichstraße erinnert an eine Demo für Frauenrechte – Plakate mit Aufschriften wie "Nothing changes, if nothing changes“ oder „Girls just wanna have fun-damental rights“ begrüßen die Gäste im Eingangsbereich. Die Stimmung ist besonders, der Wahlkampf geht in den Endspurt, die gemeinsame Asyl-Abstimmung von CDU, FDP und AfD ist gerade 24 Stunden her. Die einen sind persönlich angefasst, müde und frustriert. Andere diskutieren die Nachrichten des Tages. Eine Sache, in der sich alle einig sind: Die Themen des Abends und der überparteiliche Austausch sind relevanter denn je. „Ich hoffe so sehr, dass sich die Diskussionsräume wieder öffnen, Kompromisse finden“, sagt Verena Pausder in der Eröffnungsrede des Abends: „Dass die Parteien in der demokratischen Mitte zusammenarbeiten, um die Probleme in diesem Land zu lösen. Pläne nebeneinanderlegen, verhandeln, um die beste Lösung ringen.“
Dass das gelingen kann, zeigt die Einigung beim Gewalthilfegesetz. Natalia Wörner hat die Initiative mit FRAUEN100 vorangetrieben. Sie hätte für diesen Abend verschiedene Versionen ihrer Rede vorbereitet, sagt sie, eine davon war eine Wutrede: „Ich bin froh, dass diese nur auf dem Papier stattfindet. Denn:“, jetzt applaudiert der Saal: „Das Gesetz ist so gut wie durch!“ Wenn der Bund Gewalthilfe für Frauen mitfinanziert, bestimmt nicht der Wohnort oder das Bundesland, ob es die nötigen Anlaufstellen gibt. Natalia Wörner verweist noch einmal auf die erschreckenden Zahlen der Kriminalstatistik, laut denen Femizide und Gewalt an Frauen enorm zugenommen haben: „Das politische Handeln stand bisher in keinem Verhältnis zum Ausmaß des Problems.“ Die überparteiliche Einigung in dieser Woche gebe ihr Hoffnung in die Verlässlichkeit politischer Entscheidungsträger.
Das Gewalthilfegesetz ist ein Schlüssel, aber es müssen weitere Schritte folgen, um Frauenfeindlichkeit und Täterschutz im Rechtssystem zu bekämpfen – findet Schauspielerin Karoline Herfurth im Talk mit Journalistin Anja Reschke. Sie ist Drehbuchautorin, Regisseurin und Darstellerin im Film „Wunderschöner“, der am 13. Februar in den Kinos startet. Die Fortsetzung des Kinoerfolgs „Wunderschön“ (2022) erzählt die Geschichten von fünf Frauen. Jede erlebt auf andere Weise patriarchale Strukturen in der Gesellschaft: die Bewertung weiblicher Körper; mangelnde Wertschätzung für Care-Arbeit; wie schwer es sein kann, gegen patriarchale Strukturen aufzustehen, zum Beispiel wenn man selbst einen Übergriff erlebt; und warum es manchmal einfacher ist, wegzuschauen. „Wie können wir von Freiheit und Freiwilligkeit sprechen, wenn es keine Augenhöhe in unserer Gesellschaft gibt“, sagt die Schauspielerin. Veränderung werde häufig von denen getrieben, die die Diskriminierung persönlich erfahren. „Deshalb braucht es Vielfalt in den entscheidenden Positionen“, sagt sie, in der Politik wie in den Medien.
Doch wie kriegen wir Frauen nicht nur in Führungspositionen, sondern gleichberechtigt in den Arbeitsmarkt integriert? Damit hat sich in den vergangenen zwei Monaten die von FRAUEN100 ins Leben gerufene Arbeitsgruppe FRAUEN100 X ECONOMY beschäftigt. Parteiübergreifend haben Politikerinnen mit Vertreterinnen aus Wirtschaft und Start-Up Verband Maßnahmen erarbeitet. „Dauernd hören wir, wie dringend Frauen im Arbeitsmarkt benötigt werden“, sagt Prof. Dr. Jutta Allmendinger, die die Ergebnisse vorstellt. Was gar nicht vorkomme, sei das Thema Vereinbarkeit: „Da heißt es dann: Das ist ja eure Sache, wie ihr das regeln wollt!“ Sie verweist auf die Studien der letzten Jahre, die belegen, dass Frauen in Deutschland sich entscheiden müssen: Kind ODER Karriere. Um Frauen Kind und Berufstätigkeit zu ermöglichen, „muss die Politik das Thema ernst nehmen“, sagt Prof. Dr. Allmendinger, hier hätte es in der überparteilichen Arbeitsgruppe schnell einen Konsens gegeben. „Da heißt es dann: Das ist ja eure Sache, wie ihr das regeln wollt!“ Sie verweist auf die Studien der letzten Jahre, die belegen, dass Frauen in Deutschland sich entscheiden müssen: Kind ODER Karriere. Um Frauen Kind und Berufstätigkeit zu ermöglichen, „muss die Politik das Thema ernst nehmen“, sagt Prof. Dr. Allmendinger, hier hätte es in der überparteilichen Arbeitsgruppe schnell einen Konsens gegeben. Die drei großen Themen des Papiers sind die Zuständigkeit für Kinderbetreuung, Steuerliche und finanzielle Rahmenbedingungen und die Bedingungen in Unternehmen selbst, die familienfreundlicher werden müssen. Nach einer weiteren Abstimmung wird das Papier veröffentlicht und kann in kommenden Koalitionsgesprächen Anstöße geben.
Zum Abschluss des Abends stellen sich die beiden Kanzlerkandidaten Robert Habeck (BÜNDNIS90/Die Grünen) und Olaf Scholz (SPD) Fragen der FRAUEN100 Community, gestellt von Verena Pausder. Friedrich Merz (CDU) hatte die Einladung aufgrund anderweitiger terminlicher Verpflichtungen abgelehnt.
Robert Habeck zeigt sich direkt zu Anfang seines Gesprächs selbstkritisch: Er hätte Gleichberechtigung als Wirtschaftsminister zu spät thematisiert. Die auch im internationalen Vergleich „krasse Unterbeschäftigung von Frauen“, die sich aus der hohen Teilzeitquote ergibt, habe er zu spät auf seine politische Agenda gesetzt. Die Gründe für die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit sieht er zum einen kulturell-geschichtlich, zum anderen finanziell begründet: „Frühkindliche Bildung und KiTas liegen bei den Kommunen, das ist finanziell die schwächste Ebene.“ Der Bund könne nur über Umwege unterstützen, Sonderprogramme wie das KiTa Qualitätsgesetz können die Lücken nicht komplett füllen. Klare Worte findet er zum Thema Ehegattensplitting, die Grünen würden für künftige Ehen gerne die Individualbesteuerung durchsetzen und sich hierbei am Modell von Schweden oder Dänemark orientieren. Für bestehende Ehen müsse es eine Art Bestandsschutz geben. Zur Frage aus der Community zu geschlechtsspezifischer Forschung vor allem im Gesundheitsbereich verweist der Kanzlerkandidat der Grünen auf eine gerechtere Verteilung von Führungspositionen im Forschungsbereich: „Am Ende müssen mehr Frauen in die Spitzenpositionen, um auch ihren Blick einzubringen.“ Dasselbe gelte für die Politik – auch wenn er selbst sich als emanzipierten Mann begreift, sei ihm bewusst, dass auch er blinde Flecken habe, wenn es um Diskriminierungserfahrungen für Frauen geht. Eine paritätische Aufteilung von Führungspositionen, aber auch von Care-Arbeit, sei auch Voraussetzung dafür, dass sich die geschlechterspezifische Rentenlücke schließt. Auf die Frage nach konkreten Maßnahmen in der nächsten Wahlperiode sagt der Bundeswirtschaftsminister, er wolle vor allem die Zahl an Gründerinnen steigern, denn die ungleiche Verteilung von Kapital und sinkende Zahl an Frauen in der Start-Up Szene sei für ihn besonders „überraschend, empörend und schockierend – denn das ist kein Milieu wie traditionelle Berufe, wo man sagen könnte: so war das halt schon immer.“
Bundeskanzler Olaf Scholz freut sich als letzter Gast des Abends über die Einladung von FRAUEN100: „Wir brauchen engagierte Netzwerke“, sagt er im Gespräch mit Verena Pausder. Er freut sich, dass ein parteiübergreifender Konsens beim Gewaltschutzgesetz gelungen ist und hofft, für die letzten Wochen seiner Regierung noch weitere Gesetzesentwürfe verabschieden zu können. Einer davon ist der zur Abschaffung des Paragrafen 218. „Es ist einfach nicht richtig, dass Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch geregelt sind“, sagt der Bundeskanzler. Ebenfalls als Problem sieht er die mangelnde Betreuung vor allem in der Bildung und bei KiTas, die vielen Eltern – und vor allem Frauen – den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert. Neben der Ausweitung von Kapazitäten für die Ausbildung neuer Fachkräfte sieht er auch die Notwendigkeit, Perspektiven für Quereinsteiger zu schaffen. Auf die Frage, warum das Ehegattensplitting wieder aus dem Wahlprogramm der SPD gestrichen wurde, sagt Scholz: „Ich bin vom Stuhl gerutscht, als ich erfahren habe, dass unser Beschluss, die Steuerklassen 3 und 5 durch ein Faktorverfahren zu ersetzen, programmierungstechnisch bis zum Ende des Jahrzehnts dauern wird.“ Um dieses Verfahren nicht zu gefährden, habe die SPD die Weiterentwicklung des Ehegattensplittings erst einmal zurückgestellt. Als konkrete Maßnahme für die nächste Wahlperiode fordert der Bundeskanzler Parität in allen Parlamenten und würde auch sein eigenes Kabinett wieder paritätisch besetzen. Außerdem müsse ein flächendeckendes Angebot von KiTas und Ganztagesbetreuung mit den Ländern vereinbart und durchgesetzt werden: „Wir müssen sicherstellen, dass man Kinder haben und beruflich vorankommen kann.“
Doch nicht nur das Event am Abend kam das Netzwerk in den Austauscht. Die vorab stattfindende exklusive Beauty Lounge mit unseren Partnern Taft und MaxFactor war nicht nur der perfekte Ort für den passenden Look zum FRAUEN100 Event, sondern auch ein Raum für Vernetzung. Im kleinen Wintergarten des Hotel Adlon sorgten die Make-up Artists von MaxFactor für glamouröse Pink Carpet Looks, während die Stylistinnen von Taft das perfekte Hairstyling kreierten. Doch neben Beauty und Styling stand vor allem der Dialog im Mittelpunkt. Bei anregenden Gesprächen und Stärkung von Lucy’s Deli bot die Lounge eine inspirierende Atmosphäre, um sich mit anderen Gästen auszutauschen und sich gemeinsam auf den Abend einzustimmen. Mit dabei waren unter anderem Anja Reschke, Verena Pausder, Mareile Höppner, Kim Hnizdo, Pheline Roggan und Regina Halmich. Auch die Creator:innen von Taft und MaxFactor setzten dabei wichtige Impulse: Maxim Giacomo Christier und Betül Akbaba, die für MaxFactor vor Ort waren, sprachen mit uns über die Frage, wo sich Frauen und Männer gegenseitig stärker unterstützen sollten – ganz im Sinne von MaxFactors Initiative #LightTheWay. Diana zur Löwen, die Taft repräsentierte, sprach darüber, warum es so wichtig ist, gemeinsam mit Taft und FRAUEN100 ein Zeichen für Gleichberechtigung und gegenseitigen Support zu setzen.
Der Event macht Hoffnung: Dass die Themen, die politisch lange unter Schröders Aussage „Familie und Gedöns“ behandelt wurden, genug Relevanz für Wirtschaft und Gesellschaft entfaltet haben, um politisch in den Fokus zu rücken. Dass Solidarität, öffentlicher Druck und Zusammenschluss etwas bewirken können – wie beim Gewalthilfegesetz. „Wir stehen auf den Schultern vieler Frauen vor uns“, sagt Karoline Herfurth zum Abschluss ihres Beitrags, passend zu den Plakaten und Fotos von Demonstrationen, die die Bühne einrahmen. Und viele im Saal spüren die Message: Wie wichtig es ist, seine Privilegien zu nutzen, um sich gerade jetzt weiter für Gleichberechtigung und frauenpolitische Themen einzusetzen, ist in diesen Wochen so groß wie nie.
Text von Mirijam Trunk
Großer Dank an unsere Partner, die gemeinsam mit uns ein Zeichen für Gleichberechtigung setzen und unsere Events ermöglichen! – ING Deutschland, taft schwarzkopf (Henkel), MaxFactor, Cosmopolitan Deutschland, Stölzle Lausitz, Champagne Pommery, Crackers Berlin, Hotel Adlon Kempinski


















































